Montag, 29. Juli 2013

Nachtrag vom GartenSlam


Weil viele ihn nochmal lesen & wir ihn doch gerne ein wenig verewigen wollten, hier noch einmal der Slambeitrag von Sim Panse aus Köln, den er eigens für den GartenSlam aus seinem Kopf geschüttelt hat.
Danke dir für's Überlassen & Viel Spaß euch damit!


Realität. Realitäter. Am Realitätesten.
von: Sim Panse.

Es gibt keine Armut in Deutschland
wir haben hier nur Flaschensammler
es gibt auch keine Arbeitslosen
nur fünf Millionen faule Gammler.
Es gibt keine korrupten Politiker,
wir haben nur lupenreine Demokraten,
Wir führen keine Ressourcenkriege,
denn wir haben nur Friedenssoldaten.
Es gibt keine Zwangsumsiedlung
es gibt nur Nutzungsprioritäten.
wie man sieht schafft Sprache,
nicht eine, sondern viele Realitäten.
Und wie heißt es so schön,
sie ernteten Sturm, weil sie Wind säten,
ich bin dieser Sturm und wirble Euch nun,
durch einige dieser Realitäten.

Realität 42
Wir können hier tagtäglich sehen,
wie anstatt Kultur- Konsumzentren entstehen
wie Firmen das öffentliche Leben übernehmen,
und Politiker, ohne sich zu schämen,
von freien, wachsenden Märkten schwadronieren,
während eine Ecke weiter Menschen krepieren.
Wir könnten das tagtäglich sehen,
doch wir müssten uns bemühen,
weil sie die Wände wieder grau malen,
sobald wir Farbe auf sie sprühen.
Wenn jeden Tag in jeder Zeitung, dicke, fette Konsenslügen,
für gutes Geld verkauft werden,
weil sie dich jeden Tag auf jedem Kanal den sie haben betrügen,
und wir so der Information beraubt werden,
die wir brauchen würden, um von denen in Amt und Würden,
nicht ständig die Verkehrten, als gut und richtig zu bewerten,
dann ist nicht das schlimm, was sie falsch darstellen,
nein, schlimm ist das, was sie verschweigen,
als spielte ständig ein riesiges Orchester,
und ständig fehlten die Geigen.
Alle glauben mit den Nazis sei auch der Teufel besiegt worden.
Genau wie alle glauben mit den Nazis, sei auch die Propaganda gestorben.
Und genau an der Stelle kommt das Dunkle ins Licht,
der Teufel arbeitet am besten, wenn wir glauben, es gäbe ihn nicht.

Realität 15
Eine Frau über einem Schreibtisch,
der Kopf liegt auf verschränkten Armen,
die Frau liegt und weiß nicht,
woher die düsteren Gedanken kamen,
Die Gedanken sind zu schwer,
der Kopf wie zentnerweise Blei,
und gleichzeitig so scheiße leer,
und zähflüssig wie Brei.
Sie erhielt heute eine Schreiben,
von Bundesamt zur Förderung von Kultur,
die Förderung würde fortan ausbleiben,
von Bedauern keine Spur,
sie stünde nun auf eignen Füßen,
Name XY und mit freundlichen Grüßen.
Eine Frau über einem Schreibtisch,
sie sieht durch das Fenster nach draußen,
sieht wie gegenüber wieder gebaut wird,
wieder ne neue Mall, in der die Leute nur kaufen,
anstatt endlich Grünflächen, Kulturecken,
Plätze um in Ruhe zu verschnaufen.
Sie sieht das, und sie ist nicht einmal mehr sauer,
in ihren Augen steht ganz einfach nur ehrliche Trauer,
über die Dummheit der Menschen,
über das verdammte Geshoppe, Gekaufe.
über das hirnverbrannte, Gepoppe, Gesaufe.
Und sie steht auf, und nimmt ein letztes Mal ihre Jacken,
ein letztes Mal die Blumen gießen,
ein letztes Mal die Schlüssel packen,
und ein letztes Mal die Tür abschließen.

Realität 45
Und irgendwo an einem Fluß,
höre ich die Leute sagen
geht einer von diesen Kerln spazieren,
die uns, also den Staat verklagen,
wenn wir Atomkraft nicht weiter subventionieren.
Der Kerl geht pfeifend, die Hände in den Taschen,
obwohl die Hände vor lauter angerafftem Geld,
kaum noch in die Taschen passen.
Denn wir verschenken, Milliarde um Milliarde
als Gewinne von Energiekonzernen,
und fordern sie im Gegenzug auf,
doch bittesehr aus Fukushima zu lernen?
Und sie lernen, nämlich Gewinnmaximierung,
und bauen sich Investmentbrücken,
und die Kosten der Energiewende,
liegen dann auf unserem Rücken.
Und die Sicherheitsprogramme,
die zahlen wir doch bitte schön auch selber,
meine Meinung:
Energiekonzerne sind Bauern
und wir sind dumme Kälber.
Wir lassen uns melken und mästen,
und jeder Widerspruch wird abgekanzelt,
es seien doch nicht sie, die die Luft verpesten,
außerdem würde hier nicht verhandelt,
denn wirklich sauberen Strom,
so diese Kerle, gäbe es eh nur mit dem Atom.

Realität 765
Wir gehen wählen, und wählen doch nicht,
weil keiner der Kandidaten hält was er verspricht.
Wir wählen Gesichter, bunte Plakate,
lustige Sprüche, doch das worauf ich warte,
das gibt es noch nicht.
Denn sie versprechen sich Ruhm
durch die Mär vom ewigen Wachstum.
Ewiges Wachs-tum, wie Lenin im Glassarg
die Haut aschfahl, die Wangen karg
und von der Zeit nun unberührt,
weil ewiges Wachstum eben nicht
zu ewigem Leben führt.
Und wir lassen uns stumm regieren,
obwohl wir spätestens seit Foucault wissen sollten,
das Werte sich durch Macht negieren,
und die Mächtigen noch nie den Bedürfnissen Bedürftiger Aufmerksamkeit zollten.
Und irgendwie bleibt alles scheiße,
denn wir wählen nicht, trotz der Option auf Wahl
genau wie Berthold Brecht so schön sagte,
erst kommt das Fressen und dann die Moral.

Realität 7
Ein Garten, angelegt von Menschen,
die um Mitbestimmung kämpfen.
Die sich selbstständig organisieren,
sich für ihre Interessen engagieren,
das alles autonom finanzieren,
und am Ende doch wieder nur Ohrfeigen kassieren.
Freiraumschaffende Künstler, Menschen,
die um Mitbestimmung kämpfen
eine selbstorganisierte Zelle,
und aufgrund ihrer Bestrebung
die einzig wirkliche Lebensquelle
hier in der Umgebung.
Und weil ihr Realität schafft,
schreib ich Realiteratur und werd mit euch zum Realitäter,
und alle die sonst noch mit machen wollen,
komm wir quatschen und trinken ein Bier. Ich freu mich auf Euch. Bis später!



(Wenn ihr den Text auch verwenden wollt, fragt bitte vorher. Ihr könnt euch z.B. über unsere Kontaktadresse melden.)